Theater und Nachhaltigkeit

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Julia - April 2024

Alle sprechen über Nachhaltigkeit. Aber was bedeutet das eigentlich konkret - und vor allem für die Karlsruher Kultureinrichtungen? In ihrer neuen Interview-Reihe "Nachhaltigkeit in der Kultur" sprechen Julia und Jana mit Expert:innen zu diesem Thema. Die Interviews werden immer am letzten Freitag des Monats im Campusradio beim Podcast Kultur-Kaffeekranz gesendet. Wer die Sendung verpasst hat, kann sie jederzeit hier nachhören oder auf unserem Blog nachlesen.

#5: Theater und Nachhaltigkeit: Interview mit Anna Haas

Anna Haas ist seit der Spielzeit 2018/19 Stellvertretende Schauspieldirektorin und Dramaturgin sowie Mitglied der AG Nachhaltigkeit am Badischen Staatstheater in Karlsruhe.

Was bedeutet Nachhaltigkeit überhaupt für ein Theater?

Da geht es um verschiedene Bereiche: um Energie, das ist natürlich der größte Faktor, aber auch um Stromverbrauch, Wärme, Kälte oder Klimaanlagen. Ein ganz wichtiger Faktor ist die Publikumsmobilität. Was in einer Klimabilanz gar nicht so viel ausmacht, ist die Produktion der Bühnenbilder, aber das finde ich trotzdem wichtig. Denn ich glaube, wir alle werden in den kommenden Jahren versuchen müssen, nachhaltiger zu produzieren und Energie zu sparen, unseren CO2-Abdruck zu reduzieren. Unser gesellschaftspolitischer Auftrag ist es, auf der Bühne davon zu erzählen, und ich bin der Meinung, wenn wir davon erzählen wollen, müssen wir auch so produzieren. Es geht auch um soziale Nachhaltigkeit: Das sind einerseits die Themen auf der Bühne, aber andererseits auch, wie wir miteinander arbeiten, dass wir nicht zu viel für die Tonne produzieren, dass wir auch die menschlichen Ressourcen gut einsetzen.

Wie ist denn in der Theaterszene der aktuelle Stand? Was wird in den Häusern schon gemacht?

Während der Pandemie hat sich sehr viel im Kulturbereich ergeben. Verschiedene Gruppen haben sich gegründet, etwa das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit, die eine Weiterbildung für Menschen aus dem Kulturbereich als Transformationsmanager*in für Nachhaltigkeit in der Kultur anbieten. Die habe ich vor einem Jahr auch gemacht. Diese – aktuell etwa 300 bis 400 – Menschen in den Kulturinstitutionen machen sich jetzt gerade an die Umsetzung und bilden auch untereinander ein ganz tolles Netzwerk, in dem Expertisen und Wissen ausgetauscht werden. In den letzten Jahren ist auch entstanden, dass die Kultureinrichtungen Klimabilanzen erstellen müssen. Sie müssen messen, wieviel Energie sie verbrauchen. Auch darin werden wir jetzt Schritt für Schritt eine Expertise entwickeln, denn nur wenn wir messen, wissen wir auch, wo die größten Stellschrauben sind, werden wir auch wissen, wo wir etwas verändern können. Die Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat jetzt aus dem Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit heraus eine Anlaufstelle Green Culture gegründet, an die man sich als Kulturinstitution wenden kann.

Wie läuft es denn konkret am Badischen Staatstheater? Was wird dort umgesetzt?

Wir sind noch in den Anfängen. Seit vielen Jahren, schon vor der Pandemie, gibt es eine Nachhaltigkeits-AG, die sich aus Mitarbeitenden des Theaters gebildet hat. Die AG sieht ihre Aufgabe darin, immer wieder in Gesprächen oder Worldcafés mit den Mitarbeitenden herauszufinden: Was sind die Punkte, wo ihr konkret etwas verändern wollt? Wo wird der Support der AG gebraucht? Die AG versucht dann, entsprechende Maßnahmen zu entwickeln, mit der Theaterleitung abzusprechen und dann auch umzusetzen. Wir haben versucht, die Druckerzeugnisse zu reduzieren und auf anderem Papier zu drucken, Abfall zu vermeiden. Gerade sind wir auch mit der Firma ALBA im Gespräch, wie der getrennte Abfall sinnvoll weggebracht werden kann. Im Zuge der Energiekrise ist in der Spielzeit 2022/23 im Bereich der Fernwärme die Emission bereits um 28 Prozent reduziert worden, im Bereich der Stromkosten um 20 Prozent. Wir haben damals auf 19 Grad heruntergekühlt, im letzten Winter dann auf 20 Grad. Dabei haben wir gemerkt: Es geht, wir können unseren Energieverbrauch reduzieren. Das versuchen wir, Schritt für Schritt weiter beizubehalten. In den letzten fünf Jahren wurden im Schnitt jeweils etwa 150.000 Euro investiert in die Umstellung der Beleuchtung auf LEDs. In diesem Jahr gibt es dafür sogar noch einmal eine Sonderinvestition von knapp 250.000 Euro.

Natürlich kann die ganze Arbeit aber nicht einfach eine AG machen, die teilweise zwar in der Arbeitszeit arbeitet, sich teilweise aber auch ehrenamtlich engagiert. Deshalb hat sich die Theaterleitung entschieden, mir die Weiterbildung zur Transformationsmanager*in Nachhaltigkeit in der Kultur zu finanzieren und ab Herbst eine 50%-Stelle für eine Transformationsmanagerin einzurichten, die ich übernehmen werde, um die Arbeit in Sachen Nachhaltigkeit zu professionalisieren. Dann gibt es Menschen, die Arbeitszeit haben, um sich dafür zu engagieren und das Thema wirklich ernst zu nehmen. Zusätzlich gibt es noch eine Mitarbeiterin unseres Kaufmännischen Geschäftsführers, Charlotte Straubinger, die neben einigen Bereichen auch an der Nachhaltigkeit arbeitet und sehr engagiert ist. Tollerweise haben wir auch einen Antrag von der Klimaschutzstiftung Baden-Württemberg bewilligt bekommen, wo wir in ein inzwischen fortgeschrittenes Programm einer Beratung und Workshops für Nachhaltigkeit am Staatstheater kommen. Ansonsten versuchen wir gerade, wie wir Maßnahmen entwickeln können, um unser Publikum zu überzeugen, noch mehr mit dem Rad, zu Fuß oder mit dem öffentlichen Nahverkehr anzureisen oder Fahrgemeinschaften zu bilden. Es sind nämlich immer noch 47% unseres Publikums, die trotz im Ticket bereits inkludierten KVV-Ticket mit dem Auto kommen.

Würdest du sagen, dass das die größte Herausforderung ist? Oder gibt es noch andere schwierige Themen?

Die größte Herausforderung ist es, sowohl das Publikum als auch die Mitarbeitenden mitzunehmen, indem man keine Beschneidungen und Verbote, sondern tolle Anreize schafft und Momente, in denen die Menschen sich gut fühlen. Schließlich will jeder Mensch sich gut fühlen, das nennt man Selbstwirksamkeitserfahrung. Meistens funktioniert das über eine gute Kommunikation oder eben Anreize, warum es toll ist und man stolz auf sich sein kann, wenn man nicht mit dem Auto in die Tiefgarage gefahren ist.

Hättest du auch ein besonders schönes Beispiel, das am Staatstheater umgesetzt wurde und das man als Best Practice-Beispiel nennen könnte?

Wir sind noch dabei, haben aber schon viele tolle Sachen entwickelt. Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass wir, wenn wir die Mülltrennung etablieren wollen, am Ende anfangen müssen. Das heißt, dass wir die Tonnen so stellen müssen, dass alle Menschen, die Müll in die Tonne werfen, ihn auch in die richtige Tonne werfen, damit er dann auch entsprechend entsorgt wird. Rückwirkend geht man dann in die Büros und in die Gänge und schaut dann, dass dort richtig getrennt wird. Es gibt aber auch immer wieder Rückschläge. In meiner Weiterbildung als Transformationsmanagerin war ich in einer Arbeitsgruppe mit fünf Menschen, die sich sehr tolle Maßnahmen überlegt haben, zum Beispiel eine mobile Fahrradgarderobe mit Solardach, die begrünt ist und auch die Ladestation für E-Bikes hat, die wir auch gern auf unseren Vorplatz stellen wollen. Wir wünschen uns eigentlich einen begrünten Vorplatz, einen Garten, wo Initiativen zusammenkommen und wo Menschen sich auch im Sinne der sozialen Nachhaltigkeit treffen. Wir sind Schritt für Schritt dabei, das umzusetzen.

Wie würde für dich ein wirklich nachhaltiges Theater aussehen, gerade auch im Hinblick auf die Produktionen?

Das Theater wäre im besten Fall – wir befinden uns ja mitten in einer Baustelle – nach Nachhaltigkeitsanforderungen saniert. Es wird wohl tatsächlich ein Solardach bekommen. Im schönsten Fall wären dieses Dach und die Fassade auch noch begrünt, inzwischen gibt es ja auch Solarpaneelen, die auf grüne Dächer gebaut werden können. Das wird aber wahrscheinlich nicht passieren. Vor dem Theater wäre ein riesiger Paradiesgarten, in dem Menschen sich treffen können. All das ist aber natürlich nicht geplant, vor allem, weil wir unter dem Haus eine Tiefgarage planen müssen, um ausreichend Parkplätze vorzuhalten. Das würde sich dann ergeben, wenn die Zuschauer:innen alle mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV zum Theater kämen, das wäre natürlich schön. Wir würden Schritt für Schritt jedes Jahr 7 Prozent unserer Energie einsparen und Momente finden, wo das möglich ist, um irgendwann auf einen Net-Zero-Standard zu kommen und möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Natürlich hätten wir auch ganz tolle Materialkreisläufe, in denen nichts weggeworfen wird und wir alles schon so bauen, dass das Material weiterverwendet werden kann, ohne blöde Verklebungen. Wir hätten einen tollen digitalen Fundus, wo wir mindestens in Baden-Württemberg unsere Kulissen, Möbel und Kostüme weitergeben könnten. Zumindest im Kostümfundus funktioniert das hausintern schon sehr gut, aber wir würden in ganz Bade-Württemberg, nur wegen der Transportwege nicht weiter, tolle Kreisläufe etablieren. Außerdem würden wir darauf achten, dass niemand zu viel arbeitet, niemand frustriert ist, wir auf gute Arbeitszeiten achten und auch auf Selbstwirksamkeitserlebnisse in der Arbeit.

Vielen Dank...

 für das spannende Gespräch! Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg und Spaß bei deiner Arbeit.